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Date: 2002-01-25

Echelon: Verwirrspiel um Lauschposten Bad Aibling


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(Stefan Krecher aus "Die Datenschleuder" - das wissenschaftliche
Fachblatt für Datenreisende - ein Organ des Chaos Computer Club)
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In der letzten Ausgabe der Datenschleuder (#76) berichteten wir
von der bevorstehenden Schließung der Abhörstation in Bad
Aibling (Bayern/DE).

Ende Oktober verkündete dann das US-Verteidigungsministerium,
dass in Bayern, vorerst bis zum Jahre 2004, weitergelauscht wird.

Die Begründung mutet etwas fadenscheinig an: im Wesentlichen
scheint man sich auf die veränderte sicherheitspolitische Lage
zu berufen.

Das Hin und Her um Bad Aibling ist schon fast grotesk, keiner
kann genau sagen, was dort passiert und wer belauscht wird. Vor
ein paar Monaten wurde behauptet, dass die Kapazität im
englischen Mega-Ohr in Menwith Hill den Standort in Bad Aibling
überflüssig mache, und plötzlich ist der deutsche Echelon-Ableger
so wichtig.

Aber halten wir uns vorerst ein paar Fakten und eine grobe
Timeline vor Augen:

Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges wird in Bad Aibling von
amerikanischen Militärs und Geheimdiensten (in wechselnden
Konstellationen) eine Abhörstation betrieben. Diese Abhörstation
ist Teil eines globalen Netzwerkes, dessen Grundlage das "UK-USA
Security Agreement" (UKUSA) ist, und dem sich Australien, Kanada
und Neuseeland anschließen. Deutschland als Nato-Partner hat auf
die ausspionierten Daten lediglich Zugriff als "Drittverwerter"
und befindet sich in einer ständigen "Bettelrolle".

Die rechtliche Grundlage für die lauschenden Amerikaner in Bad
Aibling ist das NATO-Truppenstatut, welches militärische
Aufklärung erlaubt und ihnen quasi Hoheitsrechte auf dem Gelände
zugesteht. Eine Begehung durch deutsche Behörden ist
eingeschränkt möglich, beschränkt sich dann aber nur auf nicht
sicherheits/geheimhaltungsrelevante Bereiche ...

Interessanterweise taucht erst im Januar 2000 ein Dokument der
"Air Intelligence Agency" aus dem Jahr 1995 auf, aus dem über
Umwege abgeleitet werden kann, das Bad Aibling eine "Echelon Unit"
ist und gibt den Spekulationen um das sagenumworbene Echelon-System
neuen Auftrieb.

Im Juli des selben Jahres wird schließlich vom europäischen
Parlament ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Stimmen werden laut,
die vermuten, dass die Amerikaner das Echelon-System auch zur
Wirtschafts- und Industriespionage nutzen.

Im November erfährt die Presse, dass die USA Gelder bereitstellen
wollen, um den Horchposten Bad Aibling weiter auszubauen.

Im ersten Quartal 2001 werden die Spekulationen um Echelon und Bad
Aibling immer wilder, hinzukommt, das erste Erkenntnisse des
Untersuchungsausschusses die Öffentlichkeit erreichen. Es werden
mehrere Klagen abgewiesen, in denen die Bundesregierung bezichtigt
wird ein Abhörsystem u.a. zur Wirtschaftsspionage zu dulden.

Begründungen für die abgewiesenen Klagen sind Mangel an Beweisen und
die Versicherung der USA, das in Bad Aibling ausschließlich

militärisch aufgeklärt würde. Eine nichtmilitärische Nutzung wäre
nicht vorschriftsgemäß und ist somit ja auszuschließen - so der
Standpunkt der Staatsanwaltschaften.

Im Mai stellt der Untersuchungsausschuss bei einer Geländebegehung
fest, dass alle Antennen nach Osteuropa ausgerichtet sind.

Später scheinen sich Beweise für Wirtschaftsspionage zu häufen, der
Ausschuss kommt zu dem Schluss, das evtl. Verstöße gegen die
europäische Menschenrechtskonvention vorliegen.

Am 31. 5. schließlich wird bekannt gegeben, dass die Abhörstation
Bad Aibling geschlossen werden soll.

Am 3. 7. wird der Echelon-Abschlussbericht vom Untersuchungsausschuss
verabschiedet und am 5. 9. vom europäischen Parlament ebenso.

Der Abschlussbericht weist unter anderem darauf hin, dass das
Echelon-System durchaus geeignet ist, Wirtschaftsspionage zu
betreiben. Namentlich werden Deutschland und England dazu
aufgefordert, US-Überwachungsaktivitäten auf ihrem Territorium davon
abhängig zu machen, ob diese gegen die europäische
Menschenrechts/Charta verstoßen.
Für die Bundesrepublik besteht also zunächst kein Handlungsbedarf,
da man noch davon ausgeht, das Bad Aibling geschlossen wird.

Am 11. 9. verändert sich die Lage radikal - als Folge der
Terroranschläge in den USA wird den US-Geheimdiensten vorgeworfen
versagt zu gaben. Die USA befinden sich im Zugzwang und greifen
zunächst einmal Afghanistan an.

Nachdem im Oktober dann der deutsche Bundeskanzler per cron-job
unaufhörlich seine uneingeschränkte Solidarität zu den USA verkündet,
gibt ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums bekannt, dass in
Bad Aibling weitergelauscht werden soll.

Was ist da nun passiert? Ein mögliches Szenario könnte so aussehen:
die Bundesregierung gerät unter Druck, einmal wegen der Vorwürfe aus
der Bevölkerung US-Wirtschaftsspionage und massenhaft unkontrolliertes
Abhören zu dulden und zum anderen wegen der Forderungen des Echelon-
Abschlussberichtes. Die Bundesregierung versucht an mehr Informationen
darüber zu kommen, was wirklich in Bad Aibling passiert und vor allem
möchte sie teilhaben an den Abhörergebnissen. Vielleicht wird sogar
damit gedroht, das Nato Truppenstatut enger auszulegen und einer
nichtmilitärischen Nutzung durch u.a. Geländebegehung auf die Schliche
zu kommen. Laut Untersuchungsausschuss gibt es ja angeblich auch
Beweise für die nichtmilitärische Nutzung.

Da die US-Regierung nicht gewillt ist die ersehnten Informationen zu
teilen und unter Umständen weitere Enthüllungen befürchtet, zieht sie
die Lauscher aus Bad Aibling ab. Seit dem 11. 9. herrscht die
Situation vor, das den Amerikanern schlecht etwas abgeschlagen werden
kann, was diese natürlich ausnutzen und bekannt geben, weiter in Bad
Aibling Stellung zu halten.

Wenn sie , wie sie immer behaupten, nur militärische Aufklärung
betreiben, hätten sie den Standort Bad Aibling gar nicht erst
aufzugeben brauchen - wer gibt schon gerne *quasi Hoheitsgebiet*
freiwillig ab? Es liegt doch auf der Hand, das hier auch andere, als
militärische Interessen im Spiel sind. Auch die Vorwürfe des
Untersuchungsausschusses bzgl. des Verstoßes gegen die

EU-Menschenrechtskonvention stehen noch im Raum.

Eine Klärung ist aber vorerst nicht in Sicht.

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edited by Miller
published on: 2002-01-25
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