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Date: 2000-12-21

PL: Die Datengier der "traurigen Herren"


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Dass ein "Innenministerium allen Netz- und
Serviceanbietern teure Abhörsysteme
aufzwingen" will sollte uns anderen
Europäern doch bekannt vorkommen

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Im polnischen Netz wurde es richtig heiß:
das Innenministerium der
rechtskonservativen Regierung von Jerzy
Buzek hat den Entwurf einer neuen
Verordnung vorgelegt, die eine Art
polnischen Großen Lauschangriff ermöglichen
würde. Jeder Anbieter, ob klein oder groß,
muss entsprechende Systeme einkaufen,
installieren und instandhalten, damit
"berechtigte Staatsorgane" alles
komfortabel abhören und archivieren können.

Ob eine Telefongesellschaft, ein ISP oder
nur ein Speicherplatzanbieter - alle
müssten dafür sorgen (und bezahlen), dass
die "traurigen Herren", wie man in Polen
Geheimdienstmitarbeiter nennt, rund um die
Uhr unbemerkt an jede beliebige Nachricht
gelangen können. Nicht nur die Inhalte
selbst, sondern auch sogenannte
"assoziierte Daten", d.h. alle Angaben über
eine - selbst wenn nur versuchte -
Verbindung im jeweiligen Netz müssen, laut
dem Entwurf, für die Abhörenden zur
Verfügung stehen.

Der Entwurf basiert auf dem
Telekommunikationsgesetz vom 21.07.2000 und
ist insofern legitim, allerdings lachen
sich die einen Anbieter bereits jetzt
kaputt, während andere um die Zukunft ihrer
Firmen bangen. Denn alle, die davon
wenigstens ein bisschen etwas verstehen,
wissen, dass man heutzutage etwas mehr als
ein Stück Kupferdraht und einen
Telefonhörer braucht, um als Dritter eine
Netzverbindung abzuhören. Selbst in Polen,
das bei weitem kein Hightech-Land ist,
werden Sekunde für Sekunde Unmengen von
Daten transferiert. Dafür braucht man aber
moderne und sehr teure Abhöranlagen, die
oft mehr wert sind, als alle Geräte, die
die kleineren Internetfirmen bisher
überhaupt besitzen. Ein Kauf- und
Betriebszwang wäre für sie also
gleichbedeutend mit einer Pleite, meinen
daher manche Fachleute.

Andererseits ist es auch klar, dass es
nicht genügend viele "traurigen Herren"
gibt, um alles unter Kontrolle zu halten.
Es habe also, laut einigen ISP's, keinen
Zweck, überall Geräte zu installieren, die
ja nur selten gebraucht werden würden. Das
wäre so, als ob man an jeder Straßenecke
eine Videokamera installieren würde: kein
Land auf dieser Welt hätte genügend
Polizisten, um so viele Bildschirme, ob
live oder vom Tape, zu beobachten.

Die Themen "Geld" und "Technik" überwiegen
zurzeit in der Kritik, die man im
polnischen Inter- und vor allem im Usenet
lesen kann. Weniger oft spricht man von
Menschenrechten. Das ist wohl erklärbar: in
Polen fehlt es an entsprechenden
Traditionen, und der nahezu Orwellsche
Entwurf stammt von denselben Menschen, die
vor 20 Jahren gegen Beobachten und Abhören
der Bürger gekämpft haben wollen. Sie oder
ihre Nachfolger sind es, die jetzt in der
von "Solidarnosc" gebildeten Regierung
sitzen.

In Polen gibt es auch keine so lauten und
wirksamen Menschenrechtsorganisationen, wie
in manchen westeuropäischen Ländern und in
den USA. Auch die Presse, die die
allgegenwärtige sozialwirtschaftliche Krise
miterlebt und mehr oder weniger mutig
beschreibt, beschäftigt sich nur ungern mit
solch heiklen Themen. Im Moment hat sie
übrigens anderes für die Seite 1 - z.B. die
verzweifelten Krankenschwestern, die
monatlich umgerechnet 300-400 Mark
verdienen und jetzt auf den Straßen und in
besetzten Regierungs- sowie
Krankenkassengebäuden für ihr Recht auf ein
menschenwürdiges Leben kämpfen.

Mehr
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/4531/1.html


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edited by Harkank
published on: 2000-12-21
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