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Date: 2006-12-04

Urban/wachung: Sicherheit städteplanerisch

Zwischen realen und gefühlten Gefahren klafft eine hässliche Lücke, die auch die Politik meist nicht willig ist zu planieren. Stattdessen sucht sie Ihr Heil in Video- und anderer Überwachung. Dass Sicherheit auch - oder vorallem - ein Thema der Gestaltung des Urbanen Umfeldes ist, damit beschäftigt sich der Forschungsbereich der Urbanen Ethologie. Zwei Artikel im "Forschen & Entdecken" der Stadt Wien, bringen die Zusammenhänge näher.
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http://www.forschen-entdecken.at/download/2006-3/06_10_Forschen_3_06_IWC.pdf

(...)
Was ist sicher? Wo lauert Gefahr? Schätzen wir die Risiken des modernen
Lebens realistisch ein? Diese Fragen beschäftigen Rupert Kisser tagtäglich.
Der Wiener leitet die Abteilung "Sicher leben" im Kuratorium für
Verkehrssicherheit. Er weiß genau, wie viele ÖsterreicherInnen mit dem
Moped verunglücken und wie viele von der Leiter stürzen. Er hat
ausgerechnet, dass ein Drittel der PensionistInnen durch einen banalen
Sturz zum Pflegefall wird.
(...)
Auch in der Alltagssicherheit schätzen die Menschen das Gefahrenpotenzial grundverkehrt ein. Das Vertraute, also zum Beispiel der eigene Haushalt, wird für harmlos gehalten. Dabei passiert genau dort am meisten. "Fremde" Gefahren (Lawinen, die Vogelgrippe, andere Autofahrer) werden überschätzt.

Dieses Paradoxon zieht sich bis in die Politik. "Meistens", so Kisser,
"interessieren die Ängste, nicht die Fakten." Gegen einen "äußeren" Feind lässt sich wunderbar mobilisieren, ob das nun nigerianische Drogendealer oder die Dschihadi von Al Kaida sind. Mit einer Kampagne gegen Fettleibigkeit hätte George W. Bush seine Wiederwahl sicher nicht gewonnen - obgleich er unbestritten mehr Leben gerettet hätte. Aber auch in den vergleichsweise rationalen Sphären der österreichischen Politik finden sich Angstfärbungen. Nach dem Lawinenunglück in Galtür flossen sofort Millionen für Prävention. Kampagnen für mehr Sicherheit beim Bergwandern gibt es kaum - obwohl ganz normale Wanderausflüge jährlich ein Vielfaches an Opfern fordern. 315 waren es im letzten Jahr, halb so viele wie im Straßenverkehr.

Jeder Winkel videoüberwacht. Furcht, medial aufgeheizt, kippt rasch in
Hysterie. Das zeigt das Beispiel der missglückten Attentate auf die
Deutsche Bahn im August. Innenminister Wolfgang Schäuble möchte plötzlich alle Bahnhöfe videoüberwachen, sogar auf ferngesteuerten Hubschraubern sollen Kameras montiert werden. George Orwells 1984 lässt grüßen. Ob Deutschland damit sicherer wird? Wohl kaum, meinte
der österreichische Militärstratege Gerald Karner unlängst in einer Diskussion im Wiener Stadtsender Puls-TV. Einem Selbstmordattentäter sei es herzlich egal, ob er knapp vor seinem Tod noch gefilmt werde. Die Kritik des Ex-Offiziers an Schäubles Plänen klingt wie eine Abrechnung mit einer ganzen Zunft. Karner: "Man muss bei der Politik immer bedenken, dass sie oft um Kalmierung bemüht ist - also das Sicherheitsgefühl vor die Fakten stellt."

Wobei Politik und Polizei wieder auf die angeblich überängstlichen Wähler verweisen. Die Katze beißt sich also in den Schwanz. Elisabeth Blum, Autorin des Buches "Schöne neue Stadt. Wie der Sicherheitswahn die urbane Welt diszipliniert" (Birkhäuser-Verlag), illustriert dies am Beispiel der englischen Stadt Newham. Dort wird jeder Winkel videoüberwacht, die Kameras laufen in der Polizeizentrale zusammen. Die Kriminalität ging am Anfang der Überwachung zurück, dann stellte man fest, dass sie sich einfach verlagert hat - an die Ränder. Jetzt werden weitere Kameras installiert. "Nicht ich will das, sondern die Bürger", sagt der Newhamer Securitychef Bob Lack: "Sie mögen das Gefühl, das ihnen diese Kameras geben."

(...)

Tillners Plan war schnell gefasst: Mit Licht, Glas und Grün wollte sie die Zone beleben. Die zugemauerten Wände der Stadtbahnbögen wurden zu
transparenten Lokalen umgebaut. Zuerst waren es nur ein paar Gastronomen, die in die neu entstandenen Räume einzogen.
Inzwischen werden fast 50 Bögen kommerziell genutzt. Die Dealer und
Kleinkriminellen sind fast verschwunden.
Weil die Bögen gut beleuchtet sind, nützen auch Passanten den Weg. Das
wiederum bringt den Shops und Wirtshäusern Umsatz. Der Gürtel hat ein
positives Image bekommen. Inzwischen ziehen sogar die Hausbesitzer nach undrenovieren ihre Fassaden. "Der Funke ist übergesprungen", freut sich
Tillner.

Auch so kann urbane Sicherheit funktionieren - ganz ohne Überwachung und
Polizeieinsatz.

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http://www.forschen-entdecken.at/interview/index.htm

(...)
Sehr subjektiv ist das auch bei den meisten Österreichern. Obwohl
statistisch gesehen 80 Prozent der Gewaltverbrechen in der eigenen Wohnung stattfinden, halten alle U-Bahnen und nächtliche Straßen für gefährlicher.
Thomas Müller: Der springende Punkt ist: Das, was einem vertraut ist,
glaubt man, einschätzen zu können. Die dunkle Straße, der Ausländer
erscheinen als gefährlich, weil sie anders sind. Ein großer Irrtum.
Menschen, die komplexe Verbrechen begehen, haben keine gelben Augen. Sie
schauen aus wie Sie und ich.
(...)



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edited by Mac Gyver
published on: 2006-12-04
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