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Date: 2000-11-30

Papiertiger Echelon-Ausschuss


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Christiane Schulzki-Haddouti

Wie befürchtet erweist sich der Untersuchungsausschuss
über Echelon im Europaparlament bislang als zahmer Tiger

...
Die Abgeordneten stellten, wie Telepolis von Insidern erfuhr,
wohl die richtigen Fragen, allein die Experten beantworteten
in der Regel nur die am wenig verfänglichsten. In die
eigentlich interessanten technischen Details und Verfahren
erging sich niemand. Es ist deshalb zu befürchten, dass der
Ausschuss, der zunächst als Tiger antrat, als Bettvorleger
endet. (siehe auch "Als Tiger gesprungen und als
Bettvorleger gelandet")
...
Für den Berichterstatter, den Regensburger SPD-
Europaabgeordneten Gerhard Schmid, ist das eine
"schwierige Aufgabe". "Wir sollen Licht in etwas bringen, das
der Sache nach im Dunklen stattfindet", sagte er zu Beginn
der Anhörungen. Er zeigte sich jedoch auch vorsichtig
skeptisch, was die Erfolgschancen des Unterfangens betraf:
...
Anders als ein Untersuchungsausschuss kann der nicht-
ständige Ausschuss das Thema inhaltlich breiter und
politischer behandeln. So kann er sich auch damit
beschäftigen, wie Unternehmen und Privatleute sich künftig
vor unerwünschten Lauschangriffen schützen können. Für die
grüne Abgeordnete Ilka Schröder ist jedoch genau dies der
Grund zu glauben, dass sich der Ausschuss in einer Vielzahl
von Aktivitäten verzetteln wird. Sie stellte deshalb vor
wenigen Wochen eine Strafanzeige gegen Echelon.
...
In einer weiteren Sitzung am 12. Oktober wurde eine Reihe
externer Experten angehört. Dabei versuchte Schmid die
Behauptungen, die Duncan Campbell in seinem Stoa-Bericht
über Echelon aufstellte, zu hinterfragen. Laut Aussage von
Roland Genson, der in der Ständigen Vertretung Luxemburgs
in Brüssel für justizielle und innere Angelegenheiten
zuständig ist, wurde das europäische Rechtshilfeabkommen,
das die grenzüberschreitende Überwachung ermöglicht,
durch die Einführung des Iridium-Systems notwendig. Falls
ein ähnliches System wie Iridium künftig in Betrieb
genommen werden würde, müsse man auch das rechtliche
Rahmenwerk wieder überprüfen.

Bart Preneel, Kryptoprofessor an der belgischen Universität
Löwen wies darauf hin, dass es keine unfehlbaren
Verschlüsselungssysteme gebe. Mobilfunksysteme seien
sogar nur durch schwache Verschlüsselungssysteme
geschützt. Er wies zudem daraufhin, dass Open-Source-
Software einen besseren Schutz gegen Hintertüren biete, da
sie in vollem Umfang überprüfbar sei. Hintertüren seien
jedoch bei geschlossenen, proprietären Systemen nicht
auszuschließen.

Schließlich wies Mendes Vera, technischer Direktor der
Banco Espirito Santo aus Portugal, darauf hin, dass sich die
Abhörmethoden trotz des technologischen Fortschrittes
kaum geändert haben, da der Schutz der Telekommunikation
immer noch gering sei. Er sei tief besorgt darüber, dass
Europa in Sachen Telekommunikationsschutz hinter den
Vereinigten Staaten hinterherhinke.

Verschiedene Experten, darunter Clive Feather,
verantwortlich für die legale Überwachung an der Londoner
Internet Exchange, betonten die Notwendigkeit für eine
systemintegrierte Sicherheit. Technische Maßnahmen allein
genügten nicht, die Sicherheit müsse auch Bestandteil des
organisatorischen Prozesses sein. Zudem müsse der
Ursprung von verwendeten Softwarewerkzeugen überprüft
werden, ebenso wie die benutzten Netzwerke.

Echelon stellt Vertrauensfrage innerhalb der Nato

In weiteren Sitzungen Ende November beschäftigte sich der
Ausschuss mit den Erkenntnissen der nationalen
Nachrichtendienste und parlamentarischen
Kontrollkommissionen. Diese Anhörungen fanden hinter
verschlossenen Türen statt. Technische, bislang geheim
gehalten Details von Überwachungseinrichtungen wurden
jedoch nicht preis gegeben. Vielmehr hielten sich die
Beamten an bereits vorher öffentlich gewordene Details.
Deutlich wurde allerdings, wie sensibel die Echelon-
Problematik für die nationalen Dienste selbst sowie für die
künftige politische Entwicklung Europas ist.

Nach Ansicht eines Mitglieds der belgischen
parlamentarischen Kontrollkommission stelle sich durch
Echelon die Vertrauensfrage innerhalb der Nato. Es gäbe
demnach innerhalb der Nato drei Arten von Bündnispartnern:
Jene wie Großbritannien und die USA, die über alle
Informationen verfügen. Manche wie Deutschland, die mit
weniger Informationen ausgestattet werden und wiederum
Länder ohne jegliche Informationen. Die Europäische Union
müsse auf diese Situation eine Antwort finden.

Schon im Vorfeld hatte Gerhard Schmid angekündigt, Javier
Solana, den Repräsentanten für die europäische
gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und ehemaligen
Nato-Generalsekretär zu fragen, ob die Gemeinsame
Verteidigungspolitik auch eine gemeinsame
nachrichtendienstliche Politik fordere. Zu klären ist in diesem
Zusammenhang, ob auch eine Zusammenarbeit, wie sie
zwischen den USA und Großbritannien existiert, fortbestehen
kann.

Gibt es eine nachrichtendienstliche Politik in der EU?

Vor allem Frankreich zeigte sich verärgert über die britischen
Aktivitäten, die eine Illoyalität gegenüber dem europäischen
Partner sei. Frankreich und Deutschland versuchen sich
schon seit Jahren an einer Abnabelung von der US-
amerikanischen Aufklärungsdominanz. So starteten sie das
gemeinsame Raumaufklärungsprojekt Osiris, das nach
Ansicht von Experten wie Erich Schmidt-Eenboom zur
Keimzelle für einen europäischen Geheimdienst werden
könnte. Laut französischen Presseberichten hören zudem
Deutsche und Franzosen schon heute gemeinsam von
Französisch-Gouayana und Neukaledonien aus den
Satellitenverkehr über Amerika per Inmarsat und Intelsat auf.

"No comment"

Großbritannien lehnt es nach wie vor ab, Vertreter zu dem
Ausschuss zu entsenden. Auch das US-amerikanische FBI
wurde vor den Ausschuss geladen, um über das Internet-
Überwachungstool Carnivore zu berichten. Das FBI lehnte die
Einladung jedoch vorerst ab. Die Frage, ob das Abhören über
das Echelon-System durch die Erarbeitung der "International
User Requirements" durch das "International Law
Enforcement Telecommunication Seminar" (ILETS) erleichtert
wurde, konnte bislang keiner der geladenen Experten
eindeutig beantworten. Jedoch wurde bestätigt, dass aus fast
allen EU-Mitgliedstaaten Vertreter an ILETS-Treffen
teilgenommen haben.

Mehr
http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/4355/1.html


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World-Information Forum
24 11 2000 Technisches Museum Wien
http://world-information.org/html/site_index/index.htm
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edited by Harkank
published on: 2000-11-30
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