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Date: 2000-08-17
Gegen Nazis im Netz - aber wie?
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q/depesche 00.8.17/1
Gegen Nazis im Netz - aber wie?
Kai Raven
Zur Zeit wird die Bekämpfung des Rechtsradikalismus, von Neonazis
und faschistischen Organisationen und Parteien in der Politik und
den Medien wieder einmal stark thematisiert. Das ist sowohl positiv
als auch negativ zu vermerken: Positiv, weil wieder eines der
Hauptprobleme, mit dem diese Republik immer noch und bezogen
auf die neuen Bundesländer, verstärkt zu kämpfen hat, in das
Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wird. Negativ, weil es in der
Vergangenheit bereits immer wieder sporadische Ansätze zu
Bekämpfung des Rechtsradikalismus gegeben hatte, die sich in
Lichterketten und Runden Tischen manifestierten und ebenso
schnell, wie sie kamen auch wieder verschwanden. Im Zuge der
Diskussion - wenn denn wirklich eine konstruktive Debatte stattfindet
- um den richtigen Weg, wie der Rechtsradikalismus effektiv zu
bekämpfen sei, ist natürlich auch das WWW und die darin
publizierten Webseiten mit rechtsradikalen Inhalten ins Blickfeld
geraten (natürlich wieder reduziert auf das Web unter Missachtung
von anderen Kommunikationsformen wie Mailinglisten und
Mailboxnetzwerken der Rechten). Die CDU eröffnete die Website
Netz gegen Gewalt, die BILD-Zeitung, DIE WOCHE, ZDF-Online,
SPIEGEL-Online, TAZ u. a. folgten mit der Medien-initiative
http://www.netzgegenrechts.de/
Die CDU Kampagne setzt dabei offensichtlich zentral auf die
Anzeige rechtsextremer Websites. Ein zweites Standbein ist das
anonyme Sammeln von URL's für die Aufnahme in die Filtersoftware
der ICRA bzw. des Bertelsmann-Konzerns. Der Zusammenschluss
vieler Zeitungen, Sender und Presseagenturen setzt dagegen auf das
Konzept Information gegen Agitation. In Frageform gehaltene
Sektionen der Website (Von Welche Konzepte gegen Rechts werden
zur Zeit diskutiert? bis Wo gibt es weitere Informationen?) leiten zu
Unterabschnitten, in denen Artikel und Links der beteiligten
Mitglieder zu den Fragestellungen gesammelt werden. An beiden
Initiativen zeigen sich m. M. die zwei kontroversen Positionen, wenn
es um die Bekämpfung, bzw. den Umgang mit rechtsextremen
Organisationen und Webinhalten geht. Die eine Seite, federführend
hier die CDU, setzt auf die Überwachung des Webs durch die Surfer,
womit die Surfer als freiwillige Hilfspolizisten im Web
instrumentalisiert werden und die Ausblendung, bzw. Zensur, Verbot
und Verfolgung von rechtsextremen Webinhalten.Die andere Seite,
stellvertretend hier ein grosser Teil der Medien, setzt auf Aufklärung,
Information und Gegenargumentation, der Surfer soll darin unterstützt
werden, Eigenkompetenz im Umgang mit rechtsextremen
Webinhalten zu entwickeln. Im Vordergrund steht hier die
argumentativ-informative Gegenüberstellung von antifaschistisch-
demokratischen Inhalten gegen die rechtsextremen Inhalte. Diese
zwei kontroversen Positionen dürfte auch die von beiden Initiative
angesprochene Netzgemeinde spalten. Ich persönlich favorisiere die
zweite Position und damit die Initiative Netz gegen Rechts. Die
Konzentration auf Anzeigen, Zensur und Verbote bringt die Gefahr
mit sich, dass man meint, den Rechtsextremismus allein dadurch zu
beseitigen, indem man Inhalte ausblendet, bzw. dessen
Erscheinungsformen verbietet, während die Aufarbeitung vergangener
Prozesse und Ereignisse, die mit dem Rechtsextremismus in
Verbindung stehen (Brandanschlag in Solingen, vermehrtes
Anwachsen der rechtsextremen Szene in den neuen Bundesländern
nach der Wiedervereinigung) aus dem Blickfeld geraten. Die
Ursachenforschung & -beseitigung von Rechtsextremismus spielt bei
einem Ansatz, der primär auf blosse Repression setzt, zwangsläufig
eine sekundäre Rolle, das Problem wird nicht bearbeitet, sondern
unterdrückt. Eine nachhaltige Stärkung demokratischen
Gedankenguts und Verständnisses fusst im Bewustsein der
Bevölkerung, also in Bewusstseins- und Eigenkompetenzbildung,
das stärkste Mittel dazu ist eine kontinuierliche und nachhaltige
Information und Aufklärung, nicht die blosse Dämonisierung und
Verdrängung rechtsextremer Ideologien nach dem Motto "Aus den
Augen (vom Bildschirm) - Aus dem Sinn". Das Werkzeug der Zensur,
bzw. des Filters ist letztendlich technisch gesehen im Internet als
unwirksam anzusehen, ausserdem besteht die Gefahr, dass ein
bestehendes, globales Fltersystem schnell dazu benützt würde, um
nicht nur die hierzulande beanstandeten "braunen" Inhalte zu
zensieren, sondern weitere, den politisch und ökonomischen
Entscheidungsträgern unliebsamen Inhalte zu filtern. Die fehlende
Trennschärfe und Genauigkeit von Filtersystemen bringt es
ausserdem mit sich, dass auch nicht-zu-beanstandende Inhalte im
grossen Filter untergehen, wie es sich schon oft bei bereits
existierenden Filterprogrammen erwiesen hat. Ausserdem bedeuten
Filtersysteme immer die Bündelung der Entscheidungsgewalt über
den Zugang/Nicht-Zugang zu Informationen in der Hand einer kleinen
Gruppe und die Besschneidung der Wahlfreiheit und
Entscheidungskompetenz der Mehrheit - mit einem Wort: Filter &
Bewerungssysteme sind inkompatibel zu einer demokratischen
Gesellschaftsordnung.
Mehr
http://home.kamp.net/home/kai.raven/news/news.html
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edited by Harkank
published on: 2000-08-17
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